Vietnam

Warum es wichtig ist, Flexibel und offen für Neues zu sein

Sturzfluten und ein neues Kapitel unserer Reise

Der Nachtbus nach Huế war eines dieser unerwarteten Reiseerlebnisse, die uns noch lange begleiten werden: Wir rollen im Dunkeln aus Ninh Binh hinaus, kriechen in unsere futuristischen Schlafkapseln, die eher an ein Raumschiff erinnern als an ein Verkehrsmittel. Jede Kapsel hat eine Massagefunktion, einen Monitor, USB-Anschlüsse, Kopfhörer, Leselicht – und mehr Beinfreiheit, als wir erwartet hatten. Während der Bus durch die Nacht summt, schaukeln wir uns langsam in den Schlaf.
Und tatsächlich: Es gelingt uns für ein paar Stunden zu schlafen. Tief, gut und überraschend erholsam.

Als wir in den frühen Morgenstunden Huế erreichen, sind wir viel zu früh dran. Ein Shuttle bringt uns beim ersten Tageslicht zu unserem Hotel im Herzen der alten Kaiserstadt. Es ist erst 5:30 Uhr, die Lobby noch verschlossen, die Stadt schläft – fast. Denn plötzlich durchbricht ein Klang die Stille: das laute Heulen der Warnsirenen.
Vietnam ist in diesem Jahr von den schlimmsten Überschwemmungen seit Menschengedenken betroffen. Flutwellen stürzen aus dem bergigen Hinterland herab, reißen Straßen weg, überfluten Städte. Bilder aus Huế, Nha Trang, Da Nang und Hoi An der letzten Wochen sind uns noch sehr präsent: Häuser bis zum zweiten Stock im Wasser, Boote in den Straßen, Menschen werden von den Dächern ihrer Häuser gerettet.

Und nun stehen wir hier, müde, hungrig, ohne Zimmer, während die Sirenen heulen und der Wasserpegel steigt.
Ein beunruhigender Moment. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit.

Noch vor wenigen Tagen war das Wasser durch das Erdgeschoss unseres Hotels geflossen. Ein modriger Geruch liegt noch über der ganzen Stadt. Zum Glück bleibt unser Hotel dieses Mal verschont. Doch nur wenige Straßen weiter tritt der Fluss einmal mehr über die Ufer, eine große Brücke verschwindet vollständig unter den Fluten.

Nach unserem Checkin machen wir uns auf den Weg und erkunden die Gegend. Wir sehen wir zerstörtes Inventar auf den Gehwegen, Schlammschichten vor Geschäften, improvisierte Reparaturen – und auch Mut. Einige Läden sind bereits wieder geöffnet, andere werden wohl nie wieder öffnen. Man sieht: Diese Stadt kämpft. Immer wieder.

Für diesen Tag haben wir genug Eindrücke gesammelt. Wir essen in einem kleinen, warm erleuchteten Restaurant, tauchen ein in die fantastische Küche von Huế – dann fallen wir erschöpft ins Bett.

 

Die Kaiserliche Stadt von Huế – ein Fenster in Vietnams alte Seele

Am nächsten Tag zieht es uns in die Kaiserliche Stadt, die verbotene purpurene Zitadelle, bis 1945 das Herz der alten Nguyễn-Dynastie.

Sie ist mehr als ein historischer Ort – sie ist ein harmonisches Ganzes aus Tempeln, Toren, Gärten, Teichen, Hallen und Pavillons. Ein Ort, der erzählt: von Kaisern und Konkubinen, von Kriegen und Wiederaufbau, von Schönheit und Vergänglichkeit.

Die Kaiserliche Stadt von Huế – die „Imperial City“ oder „Kaiserliche Zitadelle“ – ist ein Ort, an dem man beinahe vergisst, in welchem Jahrhundert man sich befindet. Umgeben von einem breiten Wassergraben und einer imposanten, zehn Kilometer langen Mauer war sie einst das politische, kulturelle und spirituelle Zentrum des letzten vietnamesischen Kaiserreichs der Nguyễn-Dynastie.

Schon der Weg über die Zugangsbrücke wirkt wie eine Zeitreise. Durch das prächtige Ngo Mon Tor, das Haupttor, betritt man eine Welt aus rotem Lack, vergoldeten Ornamenten, Drachensymbolen und weitläufigen Höfen. Das Tor selbst ist ein Meisterwerk königlicher Architektur: Auf mehreren Ebenen thront ein Pavillon, von dem aus der Kaiser früher wichtige Zeremonien beobachtete und Botschaften an sein Volk verlas.

Dahinter öffnet sich eine streng konzipierte Anlage, die nach den Prinzipien des Feng Shui gestaltet wurde. Tempel und Residenzen sind in klarer Symmetrie angeordnet, immer in Beziehung zu den Elementen und zu den Himmelsrichtungen. Jede Halle, jede Tür, jeder steinerne Löwe hat seine Aufgabe im energetischen Gleichgewicht der Anlage.

Wir schlendern über riesige Innenhöfe, vorbei an duftenden Frangipanibäumen und Lotusteichen, die im sanften Wind kräuseln. Viele Gebäude wurden im Vietnamkrieg stark beschädigt – rund zwei Drittel der Kaiserlichen Stadt wurden zerstört – und dennoch spürt man überall ihre alte Pracht. Einige Hallen wurden liebevoll restauriert: rote Holzpfeiler mit goldenen Kalligrafien, kunstvolle Dachkonstruktionen mit tanzenden Drachenfiguren, polierte Steinböden, die Geschichten von Hofzeremonien und Kaiserprozessionen erzählen.

Einer der faszinierendsten Orte ist die Thai Hoa Hall, die Halle der höchsten Harmonie, in der die Kaiser gekrönt wurden und ausländische Gesandte empfingen. Der Thronsaal ist ein Meer aus Rot und Gold – würdevoll, feierlich und gleichzeitig überraschend filigran. Die geschnitzten Drachen, die den Thron bewachen, wirken lebendig, als würden sie jeden Moment Luft holen.

Gleich daneben liegen die privaten Wohnquartiere der Kaiserfamilie, darunter die „Verbotene Purpurne Stadt“, die früher nur den Kaisern und ihren engsten Angehörigen vorbehalten war. Viele Gebäude existieren heute nur noch als Ruinen, doch die Grundmauern lassen erahnen, wie weitläufig und verborgen das Leben hinter den Mauern gewesen sein muss.

Besonders bezaubernd sind die Gärten – stille Orte zwischen Teichen, Brücken und Pavillons, an denen man die Geräusche der Stadt völlig vergisst. Die Kombination aus kaiserlicher Symmetrie, chinesischer Ästhetik und vietnamesischem Feingefühl wirkt harmonisch und zugleich spirituell.

Während wir durch die Anlage gehen, spüren wir immer wieder, wie sehr dieser Ort die Geschichte Vietnams geprägt hat – und wie unendlich viele Schicksale sich hier abgespielt haben müssen: Machtkämpfe, Hofintrigen, Feste, Mandarinenklausuren, Krönungen, Trauerzeremonien.

Trotz Regen, Zerstörung und Wiederaufbau hat die Kaiserliche Stadt ihren Charakter bewahrt. Sie ist nicht einfach ein Museum. Sie ist ein atmendes Stück Geschichte – voller Narben, aber voller Würde.

Und genau das macht ihren Besuch so eindrücklich.

 

Neue Pläne – und eine unerwartete Entscheidung

Doch just in dem Moment, als wir unser Besichtigungsprogramm beenden und den Ausgang der Kaiserlichen Stadt passieren, kehrt der Regen zurück und zwingt uns zur Rückkehr in unser Hotel

Dort erreichen uns unerfreuliche Nachrichten: Im Südchinesischen Meer formt sich bereits der nächste Taifun. Der Süden Vietnams steht weiterhin unter Wasser, Straßen sind gesperrt, Flughäfen und Zugverbindungen beeinträchtigt. Wir sitzen im Hotelzimmer und wissen: So geht es nicht weiter.

Wir beginnen zu realisieren: Unsere ursprüngliche Route – über Da Nang nach Saigon, ins Mekong-Delta, dann weiter nach Kambodscha – ist nicht mehr sinnvoll. Die Entscheidung, den Süden auszulassen, fällt schwer.
Es bedeutet:
Kein Ho-Chi-Minh-Stadt. Kein Mekong. Keine Inseln. Keine Orte, auf die wir uns so sehr gefreut hatten.

Natürlich macht sich ein Enttäuschung breit. 

Doch heute wissen wir: manchmal führt einen das Leben genau dorthin, wo man eigentlich hin soll.

Wir entscheiden uns für Hoi An als letzten Stopp in Vietnam.

Die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Altstadt der alten Handelsstadt steht zu diesem Zeitpunkt immer noch komplett unter Wasser – zum vierten Mal in nur vier Wochen. Aber die Pegel sinken, die Prognosen sind gut. - Also fahren wir.

Wir planten nur ein paar Tage in Hoi An ein, ohne zu ahnen, dass dieser Ort unser Herz auf eine Weise gewinnen wird, wie es bisher kein anderer geschafft hat.

 

Hoi An – das Leben, das wir nicht gesucht haben, aber gefunden haben

Eigentlich wollten wir nur ein paar Tage in Hoi An bleiben, ein bisschen die Altstadt anschauen, Irene wollte ein paar Fotos machen. Dann wollten wir vom nahe gelegenen Da Nang aus weiterfliegen.

Aus den drei bis vier Tagen in Hoi An sind mittlerweile zwei Wochen geworden. Statt eines kurzen Besuchs finden wir hier etwas, das sich nur selten im Leben ergibt: Ein Gefühl von Ankommen. Ein Zuhause auf Zeit. Eine lebendige Gemeinschaft Gleichgesinnter.

Hoi An empfängt uns als wir abends ankommen (wir sind erneut mit dem Bus gereist) zunächst noch regnerisch, doch bereits am kommenden Tag ist die Stadt wieder voll in Betrieb, Restaurants öffnen, die Straßen der Altstadt sind frei von Wasser; der Thu Bôn und der Vin Cua Dai, die beiden großen Flüsse, die Hoi An umarmen, sind ihre Flussbetten zurückgekehrt.

Die Altstadt mit ihren malerischen gelben Häusern, die oft mehrere Jahrhunderte alt sind, erstrahlt im warmem Licht der Lampions. Tempel, kleine bleuchtete Boote und reges Markttreiben machen den besonderen Reiz aus, der uns fasziniert und sofort in seinen Bann zieht.

 

Doch das ist es nicht, weshalb wir immer noch in Hoi An sind.

Reisen ist anstrengend. Wir alle sind vom Reisen ein wenig müde geworden. Uns und besonders den Kindern fehlen die Kontakte zu Gleichaltrigen. Deswegen haben wir nach Möglichkeiten gesucht, andere Familien mit Jugendlichen zu treffen. Und hier in Hoi An haben genau das gefunden. Eine internationale Community, die so offen, herzlich und lebendig ist, dass wir gleich hineingezogen werden. Wir alle schließen hier Freundschaften, die auf ganz ähnlichen Erfahrungen während der Erkundung der Welt beruhen.

Und plötzlich füllen sich unsere Tage wie von selbst: wir entdecken Pickleball als neue Sportart für uns, unternehmen Spaziergänge am Strand, treffen uns in Cafés und Bars mit Livemusik, besuchen Workshops, spielen Badminton, führen inspirierende Gespräche mit Gleichgesinnten, schließen neue Freundschaften. Das ist insbesondere für Maximilian, Marlene und Mathilda eine tolle Erfahrung.

Wir leben hier ein Leben, das freier, ungezwungener und glücklicher ist, als wir es uns je hätten vorstellen können.  
Es ist näher an uns selbst, und gleichzeitig so weit entfernt von dem strukturierten Alltag in Steinfurt, dass wir uns nur schwer vorstellen können, dass wir dieses Leben dort so lange geführt haben.

Wir haben hier Zeit, uns ein wenig zu sortieren.

Die Kinder blühen wieder auf. Sie sind jeden Tag unterwegs, mit Freunden, mit Projekten, mit Spaß. Wir sehen sie strahlen, und das bedeutet uns alles. Und so sind aus den geplanten 4 Tagen inzwischen 14 geworden. Und wir könnten ewig bleiben. - Wenn da nicht das Ultimatum wäre, das uns unser Visum setzt.

Top-Sehenswürdigkeiten, Essen & Tipps

Vietnam mit Kindern entdecken: Tipps für unvergessliche Familienabenteuer

Vietnam hat sich zu einem der spannendsten Reiseziele Südostasiens entwickelt – besonders für Familien. Mit seiner vielfältigen Landschaft, freundlichen Bevölkerung und kostengünstigen Infrastruktur bietet das Land ideale Voraussetzungen für ein unvergessliches Familienabenteuer.

Must-See-Sehenswürdigkeiten für Familien

Vietnams Highlights sind so abwechslungsreich wie seine Kultur. Hier unsere Top-Empfehlungen:

  • Halong-Bucht: Ein UNESCO-Weltnaturerbe, das mit smaragdgrünen Gewässern und karstigen Inseln beeindruckt. Familien können hier Kajak fahren, Höhlen wie die Sung Sot-Höhle erkunden oder auf traditionellen Dschunken übernachten. Teenager lieben die Instagram-tauglichen Sonnenuntergänge, während jüngere Kinder das Muschelsammeln an einsamen Stränden genießen.
  • Hoi An: Die malerische Altstadt mit Laternenbeleuchtung und Fahrradtouren durch Reisfelder begeistert alle Altersgruppen. Besuchen Sie eine Kochschule – hier lernen Kinder, wie man Frühlingsrollen formt oder Banh Mi zubereitet.
  • Sapa: Trekking-Touren durch terrassierte Reisfelder und Begegnungen mit ethnischen Minderheiten bieten kulturelle Einblicke. Übernachten Sie in einem Homestay, wo Familien gemeinsam mit Einheimischen kochen und traditionelle Spiele spielen.
  • Phong Nha-Ke Bang Nationalpark: Abenteuerlustige Familien erkunden hier spektakuläre Höhlen wie die Paradise Cave oder die riesige Son-Doong-Höhle (für Teenager geeignet).
  • Mekong-Delta: Bootsfahrten durch schwimmende Märkte und Besuche von Obstplantagen zeigen Vietnams ländliche Seite. Kinder staunen über Kokosnuss-Süßigkeiten und exotische Früchte wie Rambutan.

Fortbewegung in Vietnam: Stressfrei unterwegs mit Kindern

Vietnams Infrastruktur ist gut ausgebaut, erfordert aber Planung:

  • Inlandsflüge: Schnell und günstig (ab 20 €) verbinden sie Städte wie Hanoi, Da Nang und Ho-Chi-Minh-Stadt. Ideal, um lange Busfahrten zu vermeiden.
  • Nachtzüge: Die Reunification Express-Linie von Nord nach Süd bietet Schlafwagen mit Familienabteilen. Züge sind sicherer und komfortabler als Busse, allerdings langsamer.
  • Private Fahrer: Ein Auto mit Chauffeur (ab 50 €/Tag) gibt Flexibilität für spontane Stopps. Kindersitze sind selten – daher eigene mitnehmen oder Sicherheitsgurte nutzen.
  • Grab-Taxis: Die App-basierte Buchung sichert feste Preise und englischsprachige Fahrer. Perfekt für Stadtexkursionen.

Tipp: Vermeide Mietwagen – der chaotische Verkehr (über 8 Millionen Motorräder!) ist für Ungeübte riskant.

Vietnamesische Küche: Ein Fest für kleine und große Gaumen

Vietnams Essen ist frisch, vielfältig und oft kinderfreundlich:

  • Pho: Die Nationalspeise (Reisnudelsuppe mit Huhn/Rind) wird morgens serviert und ist mild gewürzt. Perfekt für empfindliche Mägen.
  • Banh Mi: Knusprige Baguettes gefüllt mit Gemüse, Fleisch oder Ei – ein praktischer Snack für unterwegs.
  • Goi Cuon: Ungefüllte Frühlingsrollen mit Erdnusssoße – gesund und beliebt bei Kindern.
  • Kaffee-Kreationen: Probieren Sie Egg Coffee (mit Schaumcreme) oder Coconut Coffee – auch als Eiskaffee ein Hit.

Sicherheitstipps:

Streetfood nur an belebten Ständen mit frischer Zubereitung wählen.

Trinkwasser ausschließlich aus Flaschen nutzen – auch zum Zähneputzen.

Praktische Tipps für die Familienreise

1. Gesundheitsvorsorge:

  • Impfungen wie Hepatitis A und Tetanus sind empfohlen. Malaria-Prophylaxe wird für ländliche Gebiete angeraten.
  • Packe Mückenschutz mit DEET ein, Sonnencreme (LSF 50+) und eine Reiseapotheke mit Durchfallmittel sowie Fieberthermometer.

2. Unterkünfte:

  • Homestays: Bei lokalen Familien in Sapa oder Mai Chau lernen Kinder das ländliche Leben kennen. Viele bieten große Zimmer und Spielmöglichkeiten.
  • Hotels mit Pool: In Städten wie Hanoi oder Hoi An sorgen Pools für Abkühlung nach Sightseeing-Touren.

3. Kultur & Sicherheit:

  • Vietnamesen lieben Kinder – erwarten Sie viel Aufmerksamkeit, Fotos und spontane Umarmungen. Klären Sie ältere Kinder darauf vor, um Verunsicherung zu vermeiden.
  • Straßenüberquerungen erfordern Geduld: Langsam und stetig gehen – der Verkehr weicht aus! Halten Sie jüngere Kinder immer an der Hand.

4. Beste Reisezeit:

  • Februar–April: Trocken und mild (18–30°C), ideal für Rundreisen.
  • Dezember–Januar: Kühler im Norden (ab 10°C), perfekt für Trekking in Sapa.

 

Warum Vietnam perfekt für Familien ist

Viele Hotels und Touranbieter haben Angebote für Familien im Programm. Digitale Tools wie die Grab-App oder Online-Buchungsplattformen machen die Planung einfacher denn je. Zudem ist Vietnam sicherer als viele europäische Destinationen – Die Kriminalitätsrate ist niedrig, und die medizinische Versorgung in Großstädten entspricht internationalen Standards.

Fazit:
Vietnam vereint Abenteuer und Entspannung wie kaum ein anderes Land. Ob beim Paddeln zwischen Kalksteinfelsen, beim gemeinsamen Kochen in Hoi An oder beim Lachen mit einheimischen Kindern in Sapa – hier entstehen Erinnerungen fürs Leben. Mit etwas Vorbereitung wird Deine Familienreise zu einem mühelosen Erfolg, der Groß und Klein begeistert.

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Warum es wichtig ist, Flexibel und offen für Neues zu sein

Sturzfluten und ein neues Kapitel unserer Reise

Der Nachtbus nach Huế war eines dieser unerwarteten Reiseerlebnisse, die uns noch lange begleiten werden: Wir rollen im Dunkeln aus Ninh Binh hinaus, kriechen in unsere futuristischen Schlafkapseln, die eher an ein Raumschiff erinnern als an ein Verkehrsmittel. Jede Kapsel hat eine Massagefunktion, einen Monitor, USB-Anschlüsse, Kopfhörer, Leselicht – und mehr Beinfreiheit, als wir erwartet hatten. Während der Bus durch die Nacht summt, schaukeln wir uns langsam in den Schlaf.
Und tatsächlich: Es gelingt uns für ein paar Stunden zu schlafen. Tief, gut und überraschend erholsam.

Als wir in den frühen Morgenstunden Huế erreichen, sind wir viel zu früh dran. Ein Shuttle bringt uns beim ersten Tageslicht zu unserem Hotel im Herzen der alten Kaiserstadt. Es ist erst 5:30 Uhr, die Lobby noch verschlossen, die Stadt schläft – fast. Denn plötzlich durchbricht ein Klang die Stille: das laute Heulen der Warnsirenen.
Vietnam ist in diesem Jahr von den schlimmsten Überschwemmungen seit Menschengedenken betroffen. Flutwellen stürzen aus dem bergigen Hinterland herab, reißen Straßen weg, überfluten Städte. Bilder aus Huế, Nha Trang, Da Nang und Hoi An der letzten Wochen sind uns noch sehr präsent: Häuser bis zum zweiten Stock im Wasser, Boote in den Straßen, Menschen werden von den Dächern ihrer Häuser gerettet.

Und nun stehen wir hier, müde, hungrig, ohne Zimmer, während die Sirenen heulen und der Wasserpegel steigt.
Ein beunruhigender Moment. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit.

Noch vor wenigen Tagen war das Wasser durch das Erdgeschoss unseres Hotels geflossen. Ein modriger Geruch liegt noch über der ganzen Stadt. Zum Glück bleibt unser Hotel dieses Mal verschont. Doch nur wenige Straßen weiter tritt der Fluss einmal mehr über die Ufer, eine große Brücke verschwindet vollständig unter den Fluten.

Nach unserem Checkin machen wir uns auf den Weg und erkunden die Gegend. Wir sehen wir zerstörtes Inventar auf den Gehwegen, Schlammschichten vor Geschäften, improvisierte Reparaturen – und auch Mut. Einige Läden sind bereits wieder geöffnet, andere werden wohl nie wieder öffnen. Man sieht: Diese Stadt kämpft. Immer wieder.

Für diesen Tag haben wir genug Eindrücke gesammelt. Wir essen in einem kleinen, warm erleuchteten Restaurant, tauchen ein in die fantastische Küche von Huế – dann fallen wir erschöpft ins Bett.

 

Die Kaiserliche Stadt von Huế – ein Fenster in Vietnams alte Seele

Am nächsten Tag zieht es uns in die Kaiserliche Stadt, die verbotene purpurene Zitadelle, bis 1945 das Herz der alten Nguyễn-Dynastie.

Sie ist mehr als ein historischer Ort – sie ist ein harmonisches Ganzes aus Tempeln, Toren, Gärten, Teichen, Hallen und Pavillons. Ein Ort, der erzählt: von Kaisern und Konkubinen, von Kriegen und Wiederaufbau, von Schönheit und Vergänglichkeit.

Die Kaiserliche Stadt von Huế – die „Imperial City“ oder „Kaiserliche Zitadelle“ – ist ein Ort, an dem man beinahe vergisst, in welchem Jahrhundert man sich befindet. Umgeben von einem breiten Wassergraben und einer imposanten, zehn Kilometer langen Mauer war sie einst das politische, kulturelle und spirituelle Zentrum des letzten vietnamesischen Kaiserreichs der Nguyễn-Dynastie.

Schon der Weg über die Zugangsbrücke wirkt wie eine Zeitreise. Durch das prächtige Ngo Mon Tor, das Haupttor, betritt man eine Welt aus rotem Lack, vergoldeten Ornamenten, Drachensymbolen und weitläufigen Höfen. Das Tor selbst ist ein Meisterwerk königlicher Architektur: Auf mehreren Ebenen thront ein Pavillon, von dem aus der Kaiser früher wichtige Zeremonien beobachtete und Botschaften an sein Volk verlas.

Dahinter öffnet sich eine streng konzipierte Anlage, die nach den Prinzipien des Feng Shui gestaltet wurde. Tempel und Residenzen sind in klarer Symmetrie angeordnet, immer in Beziehung zu den Elementen und zu den Himmelsrichtungen. Jede Halle, jede Tür, jeder steinerne Löwe hat seine Aufgabe im energetischen Gleichgewicht der Anlage.

Wir schlendern über riesige Innenhöfe, vorbei an duftenden Frangipanibäumen und Lotusteichen, die im sanften Wind kräuseln. Viele Gebäude wurden im Vietnamkrieg stark beschädigt – rund zwei Drittel der Kaiserlichen Stadt wurden zerstört – und dennoch spürt man überall ihre alte Pracht. Einige Hallen wurden liebevoll restauriert: rote Holzpfeiler mit goldenen Kalligrafien, kunstvolle Dachkonstruktionen mit tanzenden Drachenfiguren, polierte Steinböden, die Geschichten von Hofzeremonien und Kaiserprozessionen erzählen.

Einer der faszinierendsten Orte ist die Thai Hoa Hall, die Halle der höchsten Harmonie, in der die Kaiser gekrönt wurden und ausländische Gesandte empfingen. Der Thronsaal ist ein Meer aus Rot und Gold – würdevoll, feierlich und gleichzeitig überraschend filigran. Die geschnitzten Drachen, die den Thron bewachen, wirken lebendig, als würden sie jeden Moment Luft holen.

Gleich daneben liegen die privaten Wohnquartiere der Kaiserfamilie, darunter die „Verbotene Purpurne Stadt“, die früher nur den Kaisern und ihren engsten Angehörigen vorbehalten war. Viele Gebäude existieren heute nur noch als Ruinen, doch die Grundmauern lassen erahnen, wie weitläufig und verborgen das Leben hinter den Mauern gewesen sein muss.

Besonders bezaubernd sind die Gärten – stille Orte zwischen Teichen, Brücken und Pavillons, an denen man die Geräusche der Stadt völlig vergisst. Die Kombination aus kaiserlicher Symmetrie, chinesischer Ästhetik und vietnamesischem Feingefühl wirkt harmonisch und zugleich spirituell.

Während wir durch die Anlage gehen, spüren wir immer wieder, wie sehr dieser Ort die Geschichte Vietnams geprägt hat – und wie unendlich viele Schicksale sich hier abgespielt haben müssen: Machtkämpfe, Hofintrigen, Feste, Mandarinenklausuren, Krönungen, Trauerzeremonien.

Trotz Regen, Zerstörung und Wiederaufbau hat die Kaiserliche Stadt ihren Charakter bewahrt. Sie ist nicht einfach ein Museum. Sie ist ein atmendes Stück Geschichte – voller Narben, aber voller Würde.

Und genau das macht ihren Besuch so eindrücklich.

 

Neue Pläne – und eine unerwartete Entscheidung

Doch just in dem Moment, als wir unser Besichtigungsprogramm beenden und den Ausgang der Kaiserlichen Stadt passieren, kehrt der Regen zurück und zwingt uns zur Rückkehr in unser Hotel

Dort erreichen uns unerfreuliche Nachrichten: Im Südchinesischen Meer formt sich bereits der nächste Taifun. Der Süden Vietnams steht weiterhin unter Wasser, Straßen sind gesperrt, Flughäfen und Zugverbindungen beeinträchtigt. Wir sitzen im Hotelzimmer und wissen: So geht es nicht weiter.

Wir beginnen zu realisieren: Unsere ursprüngliche Route – über Da Nang nach Saigon, ins Mekong-Delta, dann weiter nach Kambodscha – ist nicht mehr sinnvoll. Die Entscheidung, den Süden auszulassen, fällt schwer.
Es bedeutet:
Kein Ho-Chi-Minh-Stadt. Kein Mekong. Keine Inseln. Keine Orte, auf die wir uns so sehr gefreut hatten.

Natürlich macht sich ein Enttäuschung breit. 

Doch heute wissen wir: manchmal führt einen das Leben genau dorthin, wo man eigentlich hin soll.

Wir entscheiden uns für Hoi An als letzten Stopp in Vietnam.

Die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Altstadt der alten Handelsstadt steht zu diesem Zeitpunkt immer noch komplett unter Wasser – zum vierten Mal in nur vier Wochen. Aber die Pegel sinken, die Prognosen sind gut. - Also fahren wir.

Wir planten nur ein paar Tage in Hoi An ein, ohne zu ahnen, dass dieser Ort unser Herz auf eine Weise gewinnen wird, wie es bisher kein anderer geschafft hat.

 

Hoi An – das Leben, das wir nicht gesucht haben, aber gefunden haben

Eigentlich wollten wir nur ein paar Tage in Hoi An bleiben, ein bisschen die Altstadt anschauen, Irene wollte ein paar Fotos machen. Dann wollten wir vom nahe gelegenen Da Nang aus weiterfliegen.

Aus den drei bis vier Tagen in Hoi An sind mittlerweile zwei Wochen geworden. Statt eines kurzen Besuchs finden wir hier etwas, das sich nur selten im Leben ergibt: Ein Gefühl von Ankommen. Ein Zuhause auf Zeit. Eine lebendige Gemeinschaft Gleichgesinnter.

Hoi An empfängt uns als wir abends ankommen (wir sind erneut mit dem Bus gereist) zunächst noch regnerisch, doch bereits am kommenden Tag ist die Stadt wieder voll in Betrieb, Restaurants öffnen, die Straßen der Altstadt sind frei von Wasser; der Thu Bôn und der Vin Cua Dai, die beiden großen Flüsse, die Hoi An umarmen, sind ihre Flussbetten zurückgekehrt.

Die Altstadt mit ihren malerischen gelben Häusern, die oft mehrere Jahrhunderte alt sind, erstrahlt im warmem Licht der Lampions. Tempel, kleine bleuchtete Boote und reges Markttreiben machen den besonderen Reiz aus, der uns fasziniert und sofort in seinen Bann zieht.

 

Doch das ist es nicht, weshalb wir immer noch in Hoi An sind.

Reisen ist anstrengend. Wir alle sind vom Reisen ein wenig müde geworden. Uns und besonders den Kindern fehlen die Kontakte zu Gleichaltrigen. Deswegen haben wir nach Möglichkeiten gesucht, andere Familien mit Jugendlichen zu treffen. Und hier in Hoi An haben genau das gefunden. Eine internationale Community, die so offen, herzlich und lebendig ist, dass wir gleich hineingezogen werden. Wir alle schließen hier Freundschaften, die auf ganz ähnlichen Erfahrungen während der Erkundung der Welt beruhen.

Und plötzlich füllen sich unsere Tage wie von selbst: wir entdecken Pickleball als neue Sportart für uns, unternehmen Spaziergänge am Strand, treffen uns in Cafés und Bars mit Livemusik, besuchen Workshops, spielen Badminton, führen inspirierende Gespräche mit Gleichgesinnten, schließen neue Freundschaften. Das ist insbesondere für Maximilian, Marlene und Mathilda eine tolle Erfahrung.

Wir leben hier ein Leben, das freier, ungezwungener und glücklicher ist, als wir es uns je hätten vorstellen können.  
Es ist näher an uns selbst, und gleichzeitig so weit entfernt von dem strukturierten Alltag in Steinfurt, dass wir uns nur schwer vorstellen können, dass wir dieses Leben dort so lange geführt haben.

Wir haben hier Zeit, uns ein wenig zu sortieren.

Die Kinder blühen wieder auf. Sie sind jeden Tag unterwegs, mit Freunden, mit Projekten, mit Spaß. Wir sehen sie strahlen, und das bedeutet uns alles. Und so sind aus den geplanten 4 Tagen inzwischen 14 geworden. Und wir könnten ewig bleiben. - Wenn da nicht das Ultimatum wäre, das uns unser Visum setzt.